Die Lehren aus „Rastatt“: Mehr Koordination der Verkehrsträger gefordert

Die einzelnen Verkehrsträger müssen besser koordiniert werden, wobei über die jeweiligen Landesgrenzen hinaus gedacht werden soll. Dies die Hauptforderung der Teilnehmer an einem Podium der Parlamentarischen Gruppe Schifffahrt, an dem die mehrwöchige Bahnsperre im deutschen Rastatt und die Lehren daraus thematisiert wurden. Nur mit einem harmonisierten Zusammenspiel zwischen Wasser, Schiene und Strasse und dem Einbezug der Direktbeteiligten werde es bei einem erneuten „Rastatt“-Fall gelingen, rasch und besser zu reagieren.

Man könne das Vertrauen in die deutsche Ingenieurskunst schon langsam verlieren, wenn man die jüngeren Ereignisse betrachte, begrüsste Ständerat Claude Janiak, Präsident der Parlamentarischen Gruppe Schifffahrt, die Versammlung Ende Mai in Bern. Da werde ein Flughafen gebaut, von dem man nicht abfliegen könne, und beim simplen Graben eines Unterführungstunnels breche die darüber liegende Bahnstrecke ein. Dass danach wochenlang der internationale Bahnverkehr zwischen den Nordhäfen und Italien stillliege, dürfe sich nicht wiederholen. Der Frage, welche Lehren aus „Rastatt“ gezogen werden müssten, diene denn auch die Veranstaltung.

In dieselbe Kerbe hieb Nationalrat Fabio Regazzi, der die Folgen von „Rastatt“ als „desaströs“ bezeichnete. Es habe sich in schockierender Weise gezeigt, wie verletzlich der internationale Bahnverkehr sei: „Gut, konnte die Rheinschifffahrt in die Bresche springen und die Landesversorgung sichern. Gefragt sind nun aber schlagkräftige Instrumente, um einen ähnlichen Krisenfall besser bewältigen zu können.“
Regazzi nannte klare Forderungen: Der Entscheid des Ständerates, die Erstellung der Fahrpläne ohne Einbezug der Operateure zu erlauben, sei falsch. Auch im Leitungsausschuss Schweiz-Deutschland müssten die Operateure mitreden können. Und im internationalen Bahnverkehr müsse Englisch Standardsprache werden.

Er nehme den „Wunschkatalog“ entgegen, erwiderte Peter Füglistaller, Direktor des Bundesamtes für Verkehr, in seinem einleitenden Referat. Für ihn die wichtigste Lehre aus „Rastatt“ sei, dass die Benutzung der Wasserstrasse Rhein für den Gütertransport und die Versorgung der Schweiz essentiell sei. Gleichzeitig sei aber das Vertrauen in die Bahn durch das Ereignis etwas angeschlagen, und dieses Vertrauen sei gerade in der Schweiz mit ihrer Verlagerungspolitik äusserst wichtig: „In Zukunft müssen Schiene und Wasser integral betrachtet werden – und dies über nationale Grenzen hinaus.“
Im nachfolgenden Podiumsteil stellte Moderator Gilles Peterhans den Teilnehmern die Einstiegsfrage, was ihr persönliches Erlebnis bei „Rastatt“ gewesen sei. „Nein, nicht schon wieder Deutschland!“, nannte der künftige Hupac-Chef Michael Stahlhut als ersten Gedanken. Er habe sich als deutscher Ingenieur, der in der Schweiz lebe, schon fast nicht mehr auf die Strasse getraut. Auch sei er regelrecht schockiert gewesen, sei er doch davon ausgegangen, dass auch in einem Krisenfall etwa 75% des Volumens auf der Schiene abgefahren werden könne. In der Realität seien es gerade mal 30% gewesen. Das Problem sei, dass die Abläufe im Schienenverkehr sehr stark automatisiert seien: „Wenn man dann auf Manufaktur umstellen muss, braucht dies enorm Zeit.“

Auch für Nicolas Herold war der Abhängigkeitsgrad von der Schiene erschreckend. Kleinere Mengen bekomme man auch anders transportiert, bei grossen Mengen von Massengut blieben aber nur Schiene und Wasser. Auch habe man sich von den grossen Operators – den ehemaligen Staatsbahnen – im Stich gelassen gefühlt: „Da dauerte es eine Woche, bis Lösungsansätze kamen. Kleinere Operators waren flexibler und brachten innert 24 Stunden Lösungen auf den Tisch.“ Die wichtigste Lehre sei für ihn: Es müsse alles viel schneller gehen. Er wisse von grösseren Werken, die eine Woche und länger hätten schliessen müssen.
Dieter Weber von Varo Energy teilte das Gefühl, allein gelassen zu werden: „Diese Phase dauerte gut eine Woche. Bei uns in der Mineralölbranche ist dies nicht ganz so gravierend, da wir es auch im Alltagsbetrieb gewohnt sind, stark auf den Wasserweg als Transportträger zu setzen.“ Die Herausforderung war die umgehende Umstellung auf 24-Stunden-Betrieb in den Häfen. Die Zusammenarbeit mit den Schweizerischen Rheinhäfen sei aber ausgezeichnet gewesen wie auch diejenige mit den inländischen Bahnen zum Abtransport der Schiffsladungen. Sogar im Bereich des sehr zeitsensiblen Jet Fuels für den Flughafen Kloten sei die Landesversorgung nie in Gefahr gewesen.

Hans-Peter Hadorn nahm als Direktor der Schweizerischen Rheinhäfen die Komplimente gerne entgegen, mahnte aber, dass die Medaille immer zwei Seiten habe. Ein anderes Mal könne auch die Schifffahrt Probleme haben, dann müsse die Schiene einspringen können. Es sei deshalb wichtig, die jeweiligen Stärken der einzelnen Verkehrsträger entsprechend zu nutzen: „Ein Schiff muss eben nie einen Slot bestellen; es fährt einfach los.“ Der Schifffahrt sei es zwar gelungen, während „Rastatt“ innert kürzester Zeit zusätzliche Kapazitäten bereitzustellen. Man sei aber an die Grenzen gekommen und könne das System auf diese Weise nicht unendlich belasten.

Der ganze Artikel erscheint in der Juni-Ausgabe des «SVS aktuell»

Mittwoch, Mai 30, 2018
 
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